Der World Clash liegt hinter uns: Ganze sieben Sounds kämpften vergangenen Samstag in New York um die von der Firma Irish&Chin ausgerufene Trophy. Die hochkarätige Veranstaltung bietet Soundclash-Unterhaltung auf Top-Niveau. Doch kratzt man am Gold-Lack des Pokals erscheint darunter auch nur profanes Blech – Ein Blick hinter die Kulissen des Unterhaltungsspektakels.
„World Clash“ darf sich prinizipiell jeder nennen, mit einer offiziellen Weltmeisterschaft hat der Event jedoch nichts gemein. Denn für die Teilnahme kann man sich nicht qualifizieren. Einzig der Veranstalter entscheidet, wen er für den Clash buchen will. Natürlich tut er das nach marktwirtschaftlichen Kriterien: Welche Sounds wollen die Leute sehen und bei welchen Sounds kann man die Gage entsprechend verhandeln. Daher gab es dieses Jahr kein Bass Odyssey – die Gewinner der jamaikanischen Schwesterveranstaltung – und keinen Ricky Trooper, der mit der Veranstalter-Persona Chin immer wieder gerne öffentlich im Clinch liegt. Auch war erstmals kein Sound aus Europa auf dem Flyer, obwohl die Italiener Heavy Hammer in den letzten Jahren an Erfahrung gewonnen und Eindruck hinterlassen haben Auch Deutschlands Top-Clash Sound Supersonic, die einige internationale Siege vorweisen können, müssen wohl aus politischen Gründen – Supersonics Spider kritisierte Chin seit Jahren verbal und entblößte dessen Sound Mighty Crown beim War inna East 2010 – wieder auf die Warte-Bank. Definitiv gesetzt ist allerdings jedes mal Mighty Crown aus Japan, die mit Sicherheit ein Top-Sound sind, aber eben auch bei Irish&Chin im Management-Vertrag stehen. Genauso wie die New Yorker Clash-Legende King Addies, die nach Jahren der Verirrungen nun mit einem jungen Team an den Start kommen und sich von dem weltweit bekannten Promoter managen lassen. Böse Zungen behaupten sogar, dass der Rest des Line-Ups und die Regeln so entworfen wurde, den eigenen zwei Schafen ein möglichst leichtes durchkommen zu gewähren. Doch dazu später mehr.
Irish&Chins großer Verdienst ist ihre Professionalität. Sie schafften es, aus der Hochburg und Blütezeit des Clashes – New York in den 90er Jahren – eine glamouröse Veranstaltung heranwachsen zu lassen, die den rauhen Streetspirit von Soundclash beibehielt aber gleichzeitig ein internationales Publikum ansprach. Gut gemachtes Marketing mit Videoproduktionen, die um den Globus wanderten oder Booklets für jeden einzelnen Clash, die die Fans zuhause sammelten trugen zum Hype bei. Hardcore Clash-Fans und Vertreter der Sounds, die aus verschiedenen Gründen nicht gebucht wurden (bzw werden) hateten über Jahre die Veranstalter, die sich auch selbst mal gerne in Internet-Streitereien verstricken. Ihre Argumente waren: die vielen Sounds kämen einem Zirkus gleich, der mit original 1 vs 1 Soundclashes, in denen man sich wirklich beweisen müsse nichts mehr zu tun habe. „Microwave-Soundclash“ ist ein von Ricky Trooper geprägtes Wort, welches die kurzen Rundenzeiten anspricht, in denen man nicht über Selections einen Vibe aufbauen kann, sondern sofort den größten Forward abgreifen muss: Die Punchline ist alles, und das nur ein paar kurze Minuten lang. Eine zweite Strophe abzuwarten kommt da schon einem musikalischen Selbstmord gleich.
Nach zehn Jahren, in denen alle erdenklichen Spektakel durch-exerziert worden waren: Viele Sounds, Motto-Runden, Bounty Killer und Elephant Man als Host, Beenie Man als Selector vs Tony Matterhorn, Oldschool Comeback mit Jack Scorpio und Jammy’s, Sounds aus Deutschland, Italien, David Rodigan der sich als Elvis verkleidet, Mighty Crowns Kostümparade und noch weitere und als die Szene einen Punkt erreicht hatte, an dem es kaum neue Stars mehr gab und die alten nicht mehr den Elan von früher besaßen entschied sich Irish&Chin die World Clash Serie zu beenden. Um sie nach einem Jahr Pause wieder zu beleben:
World Clash R.E.S.E.T, der nun eben im zweiten Jahr wieder stattfand.
Das Line-Up waren ganze 7 Sounds und erstmals wurden auch 45s erlaubt (ein Trend der Anfang des Jahres in Europa schon auf einigen Veranstaltungen probiert wurde). Das bedeutet im Klartext: Extrem kurze Runden, wenige Tunes, und der Sound mit dem größten Spektakel bleibt im Gedächtnis und überlebt die Runde. Der Mix aus Foundation Sounds, die die legendärsten Dubplates in ihrer Box haben und Juggling Sounds, die alle 45s spielen können, sorgte im Vorfeld für Spekulationen: Renaissance und Metro Media, mit die besten juggling Sounds aus Jamaica, sorgen für genug Wirbel und spielen big Sounds wie LP oder Soul Supreme die big Tunes auf 45 weg, werden aber wiederum von dem badden Sound aus Jamaica, Fire Links, gekillt. Der hat aber keine Schnitte gegen Addies in New York, die mit dem neuen Team und den legendären Dubs gut dastehen. Mighty Crown cuttet einige Dubs und kommt durch gutes Juggling an allen vorbei: Dub Fi Dub wäre dann King Addies vs Mighty Crown – Einer von Chin’s Sounds gewinnt auf alle Fälle. Das wäre entweder das das Comeback von Mighty Crown oder von King Addies. Sanfte Gemüter werden mit jetzt unterstellen, dass ich wiederum Chin großes Politisieren unterstelle – Szenekenner werden mir jedoch lächelnd zustimmen: Das Game ist durchzogen und grundlegend bestimmt von Politics!
Doch nicht alles läuft wie geplant: Der erfahrene und vor Charme strotzende Selector Sky Juice überrannte alles und jeden mit einer unglaublich einnehmenden Performance und gewann den World Clash R.E.S.E.T 2. Ironie der Geschichte: Er machte sich lustig über die Unmengen an Geld, die für Dubs ausgegeben worden waren und hatte als Schlachtruf: „Free Tune!“. Gerüchte zufolge hatte Fire Links für das Booking 10 000 USD erhalten und Mighty Crown hat Vybz Kartel „in Prison“ aufgenommen: für 5000 USD pro Tune! Das dürfte die bis jetzt teuerste Dub aller Zeiten gewesen sein. Natürlich war klar, dass wer den Worldboss spielt einen unglaublichen Forward erhalten würde – 7 Sounds, kurze Runde, alles was zählt ist im Gedächtnis zu bleiben. Diese Gerüchte kursierten in den Studios in den zwei Wochen vor dem World Clash und natürlich nehmen solche Gerüchte je näher der Clash rückt immer abstrusere Ausmaße an, um die anderen Sounds zu ebenfalls großen Ausgaben anzustacheln: „Sound X hat Burning Spear und Junior Gong in Combination gevoict, Sound Y hat sich einen Tag mit dem Artist im Studio eingeschlossen und Unsummen investiert – und du kommst hier an mit deinen 200 Dollar?“
Ob sich solche Investitionen lohnen, ist heutzutage leider nicht mehr garaniert, denn Clash-Gewinne bedeuten nicht mehr zwingend mehr Bookings oder höhere Gagen. Den Otto-Normal-Party-Gänger interessieren Dubplates nur noch am Rande. Da kommt es einfach nur auf die Performance des Sounds vor Ort, an wie erfolgreiche Juggling Sounds weltweit beweisen.
Dennoch ist ein Soundclash ein besonderes Spektakel, für Artists, Dub-Hustler und Studio-Leute eine Verdienstmöglichkeit und für Nerds, Soundmen und die Karibik Teil einer Kultur.
Audio Link:
https://soundcloud.com/righteousnessreggaetapes/world-clash-club-amazura
Video Link:
Round 1:
Round 2:
Round 3:
Round 4:
Round 5:
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